Vorurteile
haben anscheinend immer nur die anderen! Für
die eigenen Vorurteile sind wir blind, wir halten sie für unumstößliche
Wahrheiten. Wir halten sie hoch wie ein Schutzschild und bemerken
-wenn überhaupt- zu spät, dass sie Mauern sind, in die
wir uns eingesperrt haben.
Es beginnt ganz harmlos damit, dass wir, um überhaupt handlungsfähig
zu sein, ein Motiv brauchen - ein geistiges Konzept darüber,
wie wir unsere Situation verbessern können oder wie wir eine
Verschlechterung verhindern können (Lusstgewinn und Schmerzvermeidung).
Wir müssen eine Situation im Voraus beurteilen,
eben ein Vor - Urteil
bilden. Ob dieses richtig oder falsch ist, können wir nur im
nachhinein feststellen, da wir ja nicht alle erforderlichen Informationen
haben - weder für die Gegenwart noch für die Zukunft.
So sind wir eben gezwungen, unsere Vor
- Urteile an Hand der folgenden
Ergebnisse und Ereignisse immer wieder zu korrigieren. Ein mühsamer,
aber notwendiger Prozess.
Bei Vor - Urteilen,
bei denen wir nicht gewillt sind (oder auch nicht die Möglichkeit
haben) sie anhand der Realität zu überprüfen bleibt
diese Korrektur aus und das Vorurteil
ist entstanden. Aus dem formbaren Lehm der Hypothese ist ein steinernes
Dogma geworden. Unveränderbar durch äußere Einflüsse
gibt es uns scheinbar festen Halt, währenddem es in Wirklichkeit
Entwicklung
und Fortbewegung verhindert.
Es gibt noch einen weiteren Faktor der ein Vorurteil so unglaublich
stark macht - die emotionale Verankerung. Meistens ist ein starkes
Gefühl (Hass, Ärger Angst, aber auch ein Wunschdenken
so in der Art: "Wir sind die besten") bei der Entstehung
eines Vorurteils beteiligt, das dann auch jene Leute ansteckt die
ähnlich fühlen und die dann gedankenlos nachplappern
was ihren Gefühlen entspricht. Wenn sich ein paar Männer
am Biertisch so richtig einig sind, dann ist es sehr wahrscheinlich,
dass sie die gleichen Vorurteile haben. In der Regel sind sie dann
auch gerade dabei, sich gegenseitig die eigenen Vorurteile zu bestätigen.
Oft kommt auch die Kraft der Vorurteile durch einen winzigem wahren
Kern, welcher emotionell aufgeladen und maßlos
übertrieben wird. Dieser wahre Kern - so kleine er auch sein
mag, zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich, verweigert jede Relativierung
und wischt alle anderen Argumente hinweg. Vorurteile geschehen "aus
dem Bauch heraus" und bedienen sich gern solcher Worte wie
"immer" "nur" "alle" "nie"
"keiner" womit von vornherein Ausnahmen ausgeschlossen
sind.
Die Alten sind
alle verkalkt und kriegen nichts
mehr mit. Die Jungen sind alle
kunsum- und genuss-süchtig, faul und frech. Die
Italiener sind faul, die Polen
stehlen, die Holländer
können nicht Autofahren. Die
Frauen heiraten nur um versorgt
zu werden, die Männer heiraten
nur um immer Sex zu haben und
gut bekocht zu werden. Die Studenten
werden alle vertrottelte Fachidioten,
die Arbeiter stehen
immer tatenlos herum, die
Unternehmer sind alle nur Ausbeuter
- - usw.
Wenn jemand einmal etwas gegen Vorurteile tun will, dann natürlich
gegen die Vorurteile der anderen. Aber das ist meistens erfolglose
Mühe. Man kann jemand sein Geld, sein Haus, sein Ansehen, ja
sogar seine Kinder wegnehmen, aber seine Vorurteile die kann man
ihm nicht wegnehmen. Bei vielen Diskussionen geht es daher oft nur
darum die Vorurteile auszutauschen. So nach dem Motto: "Lass
doch endlich deine Vorurteile los und nimm meine edle Wahrheit an".
Und diese edle Wahrheit ist - -
Ja, was kann man dann überhaupt gegen Vorurteile tun? Gegen
die der anderen wenig, gegen die eigenen - - schon eher
etwas. Dazu müßte einem einmal auffallen dass man ein
Vorurteil hat. Die beste Gelegenheit dazu sind unsere Probleme.
Wenn wir einmal wo anstehen, wenn es einmal wo nicht weitergeht,
wenn wir immer wieder in das gleiche Fettnäpfchen treten, wenn
wir Leute verletzen ohne es eigentlich zu wollen, dann wird es Zeit
dass wir unsere Meinungen, Ansichten und Grundregeln einmal auf
ihre Richtigkeit und vor allem auf ihre Starrheit überprüfen.
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